Anekdotisches aus meinem Leben
Montag, 17. Dezember 2018
Drei Wimpernschläge vom Tode entfernt
Wann wird sich ein Mensch der eigenen Sterblichkeit bewusst? Vermutlich das erste Mal, wenn er oder sie mit dem Thema Tod etwas persönlicher konfrontiert wird. Bei mir geschah dies im Alter von etwa fünf Jahren.
Mein gleichaltriger Freund Elmar und ich hatten beschlossen, von unserer Siedlung rüber auf die große Wiese zu wechseln. Als wir die dazwischen liegende Dorfstraße erreichten, blieb ich stehen, da ich von links ein Auto herannahen sah. Erster Wimpernschlag!
Zu meiner großen Überraschung und jähem Entsetzen sah ich meinen Freund die Fahrbahn betreten. Zweiter Wimpernschlag! Und dann ging alles ganz schnell. Als Elmar das mit hoher Geschwindigkeit herankommende Fahrzeug gewahr wurde, rannte er los. Genau dorthin, wohin der Wagen inzwischen auch unterwegs war. Der Zusammenprall schien unvermeidlich. Dritter Wimpernschlag!
In höchster Not schrie ich: “ELMARRR!!!“, woraufhin er abrupt stoppte und wendete. Wiederum dorthin, wo nun seinerseits der Fahrer vorbeizukommen versuchte.
Elmar entging um Haaresbreite – und das kann man bildlich nehmen – dem Tode. Der Fahrer „entkam“ mit quietschenden Reifen und noch einmal richtig Vollgas gebend.
Für einige Sekunden standen Elmar und ich schwer geschockt da. Dann trennten wir uns wortlos und gingen heim. Wir hatten beide kurz dem Tode ins Auge geblickt. begriffen wie schnell alles vorbei sein kann. Gleichzeitig hatte zumindest ich intuitiv verstanden, dass irgendetwas - vielleicht eine höhere Macht - Elmar beschützt hatte.
Denn eigentlich war es vollkommen ausgeschlossen gewesen, dass er aus dieser Sache heil und unbeschadet herausgekommen war. Es war definitiv ein Wunder gewesen!
Sonntag, 16. Dezember 2018
Der rettende Engel
Mittwoch, 22. April 2015
Ein rundum gelungener Abend (1986)
Es war ein Abend, an dem ich so gar nichts mit mir anzufangen wusste. Schließlich setzte ich mich in meinen Sessel und betete: „Herr, ich weiß nicht so recht, was ich tun soll!“ Im nächsten Moment kam mir klar und deutlich das Wort „Casino“ in den Sinn.
Schockiert blieb ich eine Weile im Sessel sitzen. Kein Zweifel, ich hatte das Wort klar und deutlich in meinem Innern vernommen, aber es schien mir keinen Sinn zu ergeben. Das „Casino“ war eine stadtbekannte Disco und eine der letzten Orte, wo ich mich aus eigenem Antrieb hinbegeben hätte. Und nahm man da nicht auch Eintritt?
Ich erhob mich aus meinem Sessel und sagte: „Okay, ich mach`s! Auch wenn ich nicht weiß, was ich da soll!“ Wenig später verließ ich meine Wohnung.
Ich kam kurz nach 21 Uhr am „Casino“ an, legte am Eingang 10 DM auf den Tisch und holte mir dann an der Bar erst einmal das „Inklusiv-Getränk“ ab.
Langsam wanderte ich in Richtung lauter werdender Disco-musik und befand mich kurz darauf in einem schummrig erleuchteten Raum mit einer großen Tanzfläche.
„You make me feel like dancing“ dröhnte aus den Boxen und ich verzog mich erst mal in eine Ecke, von wo aus ich ungestört die Tanzfläche beobachten konnte. Sie war noch verhältnismäßig spärlich gefüllt, was vielleicht der Uhrzeit und dem Mittwochabend geschuldet war. Wer geht schon wochentags in eine Disco?
Aber so nach und nach begann füllte sich der Raum. Was soll ich bloß hier? fragte ich mich gelangweilt. Gerade wollte ich mich in Richtung Bar begeben, als ich auf einmal angesprochen wurde: „Hallo, Heiner! Du hier? Also das hätte ich wirklich nicht erwartet.“ Ich schaute überrascht in das Gesicht von Sabine, einer jungen Frau aus dem Jesus-Haus.
„So“, entgegnete ich, „ wieso denn nicht?“ Sie lachte: „Na, das sich so ein Spießer wie du hierher verliert, hätte ich einfach nicht für möglich gehalten.“ Der Satz traf mich schon etwas. Sie hielt mich also für einen Spießer: „Siehst du, Sabine, so kann man sich täuschen. Aber du hast schon Recht, normalerweise würden mich hier keine zehn Pferde hinbekommen. Aber ich habe einen Fingerzeig von oben erhalten.“
Ich erzählte ihr die Sache mit dem Gebet und der vernommenen inneren Stimme. Sie schaute mich erstaunt an und sagte dann: "Ob du es jetzt glaubst oder nicht. Ich war mir nicht sicher, ob es richtig ist als Christin hierher zu kommen. Und deshalb habe ich vorher zu Gott gebetet, dass er dich oder Sven hierhin leiten sollte. Als bestätigendes Zeichen, dass es okay ist mit dem Tanzen." Sie lachte: "Und nun ist tatsächlich einer der beiden Moralaposteln hier. Ich bin wirklich erleichtert, dass Gott auf mein Gebet geantwortet hat."
Ich war schon etwas baff: "Ja", entgegnete ich, " dass ist wirklich eine erstaunliche Sache. Ohne die vernommene innere Stimme wäre ich im Leben nicht hierher gekommen. Und die 10 DM Eintritt sind auch nicht gerade ein Pappenstiel ... Viel Spass noch beim Tanzen!"
An der Bar traf ich zu meiner Überraschung den Manuel. Seit jener Geschichte mit der gemeinsamen spiritistischen Sitzung hatten (hier clicken) wir uns nicht mehr gesehen.
„Du hier?“, sagte er lachend. „Also dich hätte ich hier eigentlich nicht erwartet!“ „Ja, da magst du wohl Recht haben! Aber ich bin hierher geschickt worden.“ Er schaute mich leicht skeptisch an: „Geschickt worden?“ „Ach so“, entgegnete ich, „das weißt du ja noch gar nicht. Ich bin jetzt Christ!“
Und so kam es, dass wir fast eine Stunde lang zusammen an der Bar saßen und uns gegenseitig erzählten, was im zurückliegenden Jahr alles so passiert war. Am Ende kam er noch einmal auf unseren Gesprächsanfang zurück: „Sag mal, wie hast du das eigentlich mit dem geschickt worden genau gemeint?“
„Ganz einfach,“ entgegnete ich. „Ich saß zu Hause, habe gebetet und dann kam mir das Wort Casino in den Sinn. Und deshalb bin ich hier!“ Er schaute mich nachdenklich an „Schon erstaunlich“, sagte er, „denn ich bin das erste Mal seit Monaten wieder in diesem Laden. Und nun treffe ich ausgerechnet dich hier! Schon seltsam!“
Als ich später das „Kasino“ wieder verließ, hatte ich das Gefühl, einen wirklich guten Abend verbracht zu haben. Das sind wirklich gut investiert 10 DM gewesen, dachte ich.
Damals ahnte ich nicht, dass ich sie einige Jahre später zurück erhalten würde. Und zwar über Hubert, einem Freund, von Sabine, der „Tänzerin“ aus dem Jesus-Haus. Sie gab ihm folgende Begründung: "Ohne meine Gebet wäre der Heiner nie dort hingegangen. Deshalb denke ich, dass ich auch für die ihm entstandenen Unkosten aufkommen sollte.
Eine nette Geste, dachte ich , und steckte den Geldschein ein.
Montag, 27. Oktober 2014
Das Licht auf dem Berge
Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. (Johannes 8,12)
„Aber du musst doch auch einmal sehen, was die Kirche und die Christen in den letzten 2000 Jahren alles verbrochen haben. Das kann man doch nicht einfach ignorieren!“, sagte Anke mit vorwurfsvoller Stimme und einem leicht empörten Gesichtsausdruck
„Ja, du hast ja recht!“, lenkte ich ein. „Aber man sollte auch nicht das Gute übersehen, was von der Kirche und den Christen ausgegangen ist. Im Übrigen ist der Glaube an Gott erst einmal eine ganz persönliche Angelegenheit!“
Nichts von dem, was ich sagte, hatte bislang vor ihrem ablehnendem, teilweise vernichtenden Urteil Gnade gefunden. Und vermutlich war es nur unserer langjährigen Freundschaft geschuldet, dass sie mir überhaupt noch bei diesem Thema zuhörte.
Ich hatte beide über das Schachspielen kennengelernt und war eine Zeitlang fast täglich bei ihnen ein- und ausgegangen. Dann aber geriet ich in jene tiefe Sinn- und Lebenskrise, die letztlich im Juni 1985 zu meiner Hinwendung zum christlichen Glauben geführt hatte.
In jenen Monaten hatte ich sie nur noch sporadisch besucht, dann aber nach meiner Bekehrung wieder meine regelmäßigen Besuche, diesmal aber im 2-3 Wochenrhythmus aufgenommen. Natürlich schon mit dem Hintergedanken, sie von der Richtigkeit des christlichen Glaubens zu überzeugen. „Zu missionieren“, wie ich damals gesagt hätte.
An diesem Abend hatten unsere Gespräche schon längst wieder den üblichen Verlauf genommen, als ich mich angesichts des heftigen Widerstandes von Anke fragte, ob meine Besuche grundsätzlich gesehen überhaupt noch einen Sinn machten. Die Argumente waren längst alle ausgetauscht und seitdem ich kein Schach mehr spielte, war diesbezüglich nur noch wenig Gesprächsstoff vorhanden.
Okay, sagte ich zu mir selber, das ist heute das letzte Mal. Danach werde ich sie in Ruhe lassen! Und so holte ich aus, ihnen noch einmal grundsätzlich meine Position und Argumente darzulegen.
Dieses eine Mal hörte Anke ruhig zu und begann dann plötzlich sogar Nachfragen zu stellen. Das hat sie doch noch nie getan. Was ist denn jetzt auf einmal los?, fragte ich mich leicht irritiert.
Und als wenn sich plötzlich der Wind gedreht hätte, war in der Folge nicht mehr der geringste Widerstand zu spüren. Und nicht nur, dass sie klug nachfragte, sie schloss auch bemerkenswerte Folgerungen aus dem Gesagten. Auf einmal schien sie alles zu verstehen und anzunehmen. Ich konnte es einfach nicht fassen!
Wenn Dietmar diese Wandlung Ankes ebenfalls irritiert haben sollte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Etwa gegen 23 Uhr zog er sich mit den Worten: „Ich bin müde und leg mich jetzt Schlafen! Aber ihr könnt ja ruhig noch weiter diskutieren“, ins Schlafzimmer zurück.
Wir hatten uns noch eine ganze Weile angeregt unterhalten, als Anke plötzlich aufstand und mit den Worten: „Also, ich mal jetzt mal schöne Musik“, rüber zum Plattenspieler ging. „Gute Idee!“, sagte ich und stand ebenfalls auf. Vom langen Herumsitzen waren mir die Beine schwer geworden und ich nutzte die Gelegenheit, sie mir im Zimmer etwas zu vertreten.
Während sie also nun mit der Plattenwahl beschäftigt war und ich mir im Zimmer die Beine vertrat, vernahm ich auf einmal recht deutlich eine innere Stimme: Frag sie, ob sie sich nicht zum Glauben bekehren möchte!
Ich war erst überrascht, dann zutiefst erschrocken. Mit jemandem über den Glauben zu diskutieren ist eine Sache, ihn oder sie aber zur Bekehrung aufzufordern, eine andere. Sie wird sich vielleicht bedrängt fühlen, dachte ich, und womöglich heftig reagieren! Ich zögerte.
Andererseits hatte ich aber die innere Stimme deutlich vernommen. Um dies zu leugnen, hätte ich mich schon selber belügen müssen. Schließlich ging ich zu ihr hinüber und sagte so beiläufig wie möglich: „Anke, darf ich dir mal eine Frage stellen?“ Sie blickte überrascht von ihren Platten hoch und sagte: „Ja, worum geht`s?“
Nun gab es kein Zurück mehr. Ich überwand meine Furcht und fragte sie ganz behutsam: „Anke, möchtest du dein Leben nicht Jesus übergeben?“
Für einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen im Raum. Dann aber sagte sie beinahe schüchtern: „Aber ich weiß doch noch so wenig darüber!“ Ich atmete erleichtert durch. Sie hatte zumindest nicht wie befürchtet heftig reagiert.
„Ach“, entgegnete ich. „das macht nun wirklich nichts! Als ich mein Leben Jesus übergeben habe, wusste ich auch nicht allzu viel darüber. Entscheidend ist nur, dass man es will. Der Rest ergibt sich dann schon.“ Sie schaute erst noch skeptisch vor sich hin, aber nach einigem guten Zureden willigte sie schließlich ein. „Okay“, sagte ich, „dann lass uns gemeinsam beten!“
Wenig später saßen wir schweigend und mit geschlossenen Augen am Wohnzimmertisch. Schließlich fing Anke in recht einfacher, aber dennoch respektvoller Art an zu beten. Sie bat Gott um Vergebung für ihr bisheriges Leben ohne ihn und sagte dann die entscheidenden Worte: „Ich bitte dich, Herr Jesus, dass Du in mein Leben kommst. Amen!“
Während ich so betete, kam mir plötzlich ein Gedanke in den Sinn. Ich überlegte kurz, ob ich ihn aussprechen sollte. Dann aber tat ich es: „Anke, Jesus sagt zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
Ich hatte die Augen geöffnet, als ich sie ansprach und sah nun, dass sie ihre Augen jetzt ebenfalls öffnete. Sie blickte mich völlig erstaunt an und sagte dann: „Weißt Du, Heiner, was ich gerade erlebt habe?“ Ich schaute sie fragend an.
„Als du betetest, sah ich vor meinem inneren Auge auf einmal einen im Halbdunkel liegenden Berghang. Man könnte eine Wiese und Bäume erahnen, aber nichts Genaues erkennen. Mit einem Mal erschien auf der Bergkuppe ein unwahrscheinlich helles Licht und begann schlagartig den ganzen Berghang zu erleuchten.“
Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „Und gerade als ich mich fragte, was dies denn für ein Licht sei, sagtest du, Jesus sagt zu dir: Ich bin das Licht auf dem Berge!“
Für einen kurzen Moment war ich richtig geplättet. Dann hatte ich mich wieder gefasst. „Weißt Du, was das bedeutet, Anke?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr ich fort: „Das bedeutet, dass Jesus dir eine direkte Antwort gegeben hat! Damit du sicher weißt, dass du den richtigen Schritt getan hast. Unglaublich!“ Sie strahlte nun über das ganze Gesicht und nickte: „Ja, das ist dann wohl so!“
Mir fiel ein Satz ein, den ich irgendwo einmal aufgeschnappt hatte: Wenn wir uns einen Schritt auf Gott zubewegen, kommt er uns mit einem Riesenschritt entgegen! Ich sprach ihn aus. Anke lächelte zustimmend.
Es war schon weit nach Mitternacht, als Anke sich ins Schlafzimmer zurückzog und ich es mir auf dem Sofa im Wohnzimmer "bequem" machte. Aufgewühlt von den Ereignissen des Abends fand ich allerdings erst recht spät in einen unruhigen Schlaf.
Auf einmal kam mir ein anderer Gedanke: Ob sie jetzt am Morgen die Sache noch genauso sehen wird wie gestern Nacht? Oder doch vielleicht einen Rückzieher machen wird? Ich war mir nicht sicher.
Als sie wenig später ins Wohnzimmer kam, strahlte sie mich an: „Guten Morgen, Heiner! Hast du gut geschlafen?“ „Geht so“, entgegnete ich, „fühle mich aber noch etwas schlapp.“
Ja, und hier endet diese kleine wahre Geschichte. Anke schloss sich einige Zeit später einer Baptistengemeinde an und ist, soviel ich weiß, auch heute noch gläubig.
Mittwoch, 27. August 2014
Die geschenkten Handschuhe (1994)
Vor einer Reihe von Jahren nahm ich in Bremen an einem christlichen Studentenfrühstück teil. Bei Speis und Trank ging es recht locker und gesprächig zu, so dass der Vormittag wie im Fluge verging. Schließlich schlug Pastor Helms die Bibel auf und sagte: „So, ihr Lieben! Zeit für eine kleine Andacht!“ Sogleich verstummten die Gespräche, Kaffeetassen wurden hingestellt, Stühle zurecht gerückt und erwartungsvoll in Richtung des Pastors geblickt. Denn er war allgemein bekannt für recht anschauliche und inspirierende Predigten.
Das
seiner Andacht zugrunde liegende Bibelwort habe ich vergessen, aber
nicht die dazu gehörende Anekdote. So war er eines Tages in einer ihm
unbekannten Stadt mit dem Auto unterwegs gewesen, als er feststellte,
dass er wohl irgendwo falsch abgebogen sein musste. Das Klügste wäre
natürlich gewesen, sofort zum Abbiegepunkt zurückzukehren und dann den
richtigen Weg zu nehmen.
Aber
wie das so ist. Er war in Zeitdruck und hoffte, dass er sich schon irgendwie ans Ziel gelangen würde. Und so fuhr er seinem Gefühl
folgend weiter, bis er schließlich in einer Sackgasse landete: „Hier
ging es absolut nicht weiter und es blieb mir nichts anderes übrig, als
nun doch reumütig den Rückweg anzutreten.“
Schließlich
erreichte er mit vielem Nachfragen und erheblicher Verspätung doch noch
sein Ziel. „Warum habe ich euch das erzählt?“, fragte er in die Runde,
um gleich selber die Antwort zu geben. „Diese kleine Episode hat mir ein
Stückweit gezeigt, wie es mit meiner Umkehrbereitschaft
bestellt ist. Anstatt meinen Fehler einzusehen und mich sofort ohne
allzu großen Schaden auf den Rückweg zu machen, wollte ich die Sache
noch zum Guten wenden. Das Ende vom Lied: Am Ende musste ich doch
umkehren, jetzt aber mit größerem Schaden.“
Als
ich wenig später des Pastors Haus verließ und mich zu meinem Fahrrad
begab, erwartete mich eine unangenehme Überraschung. Die Luft war aus
dem Hinterreifen gewichen und Aufpumpaktionen verliefen ergebnislos.
"Mist!", fluchte ich leise in mich hinein. Es blieb mir nichts Anderes
übrig, als mein Fahrrad zu schieben.
Zu allem Überfluss fing es jetzt an diesem sowieso schon grau-trüben
Januartag auch noch an zu nieseln. Was meine Stimmung nicht gerade
besserte. Eine Dreiviertelstunde würde ich jetzt auf jeden Fall bis zur
Uni brauchen.
Ich
mochte etwa zehn Minuten die Straße entlang gelaufen sein, als ich auf
einmal zu meiner Überraschung in der Ferne die Silhouette der Bremer Uni
auftauchen sah. Allerdings lag dazwischen ein nicht überschaubarer
Wiesengrund mit gelegentlichem Buschwerk.
Ich
begann nachzudenken. Jetzt querfeldein zu gehen würde auf jeden Fall
eine erhebliche Abkürzung bedeuten. Andererseits war das Gelände, eine
Art Einöde und Niemandsland, schwer einzuschätzen. Sollte ich nicht
vielleicht doch besser die Straße entlang gehen, auch wenn es
eigentlich ein Umweg war? Ach was, dachte ich plötzlich, frisch gewagt ist halb gewonnen!
Am
Anfang ging es auch ganz es leicht. Es führte ein kleiner Trampelpfad
ins Gelände hinein, auf dem sich bequem das Fahrrad schieben ließ. Aber
schon etwa nach hundert Metern hörte auf einmal der kleine Weg auf und
plötzlich erwies sich der Boden unter mir doch als recht feucht und
lehmig. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich wieder zurückgehen sollte. Dann entschied ich mich aber für das Weitergehen.
Nach
weiteren hundert Metern war klar, dass ich mich verschätzt hatte. Der
Boden wurde immer matschiger und unwegsamer, und meine Stimmung begann
noch weiter zu sinken. Erneut kam mir der Gedanke, vielleicht besser
umzukehren. Aber mein Stolz war stärker. Jetzt wollte ich es wissen.
Trotzig schob ich das Fahrrad weiter.
Nach
etwa zweihundert weiteren Metern war es dann "amtlich". Vor mir war ein
mit Wasser gefüllter Graben, der trockenen Fußes nicht zu bewältigen
war. Einen Moment überlegte ich tatsächlich, ob ich die nassen Füße
nicht akzeptieren sollte. Dann aber siegte die Vernunft. Ich gestand mir
ein, einen Fehler gemacht zu haben und gab auf.
Im
gleichen Augenblick fiel Pastor Helms kleine Andacht wieder ein: Und
erst als ich in eine Sackgasse geraten war und es nicht mehr
weiterging... Und mit einem Mal begriff ich, dass ich in eine göttliche Lektion geraten
war. Dies war sozusagen eine praktische Illustration der kurz zuvor
gehörten Anekdote. Ich drehte mich und das Fahrrad herum und machte mich
wortlos auf den Rückweg
Eigentlich
könnte man diese kleine Anekdote hier enden lassen. Aber es geschah
noch etwas, was die Angelegenheit mir noch "vergolden" sollte. Denn
ich war nur wenige Meter gegangen, als plötzlich mitten in der Einöde
zwei nagelneue Skihandschuhe vor mir auf dem Boden lagen.
Für einen kurzen Moment war ich völlig verdattert: Wie um alles in der Welt sind die denn hierher gekommen?
fragte ich mich. Der Gedanke, dass noch jemand anders sich hierher
verirrt haben und dabei Skihandschuhe weggeworfen oder verloren haben
könnte, grenzte ans Absurde.
Ich
schaute mich um. In einiger Entfernung war eine Böschung aufgeschüttet,
die an der eine Autobahn entlang führte. Aber die Vorstellung, dass
jemand seinen Wagen auf der Standspur abstellt hätte und dann die
Böschung herunter gestiegen wäre, um mitten in einer matschigen
Wiesenlandschaft ein paar nagelneue Skihandschuhe abzulegen, war ebenso
grotesk. Es blieb einfach ein Rätsel. Oder ein Wunder!
Denn
hinzu kam auch noch der Fakt, dass ich ausgerechnet an dieser Stelle
vorbeigekommen war. Ein paar Meter weiter rechts oder links auf diesem
riesigen Gelände, und ich hätte die Handschuhe nicht gesehen. Nun
lagen sie da vor mir auf dem Boden wie ein für mich vorbereitetes Geschenk !
Ein vorbereitetes Geschenk?
Ja, denn ich war schon seit Wochen ohne Handschuhe mit dem Fahrrad
unterwegs gewesen und hatte so manches Mal schon gefroren. Und diesem
Umstand sollte jetzt wohl abgeholfen werden. Natürlich war es
gleichzeitig auch ein kräftiges Trostpflaster nach dieser etwas demütigenden Umkehrlektion. Ich hob die Handschuhe auf und zog beglückt von dannen!
Samstag, 14. Juni 2014
Irren ist menschlich!
Als nach einer Weile aber immer noch nicht groß etwas geschehen war, wurde bei einigen Christen Kritik laut. Frei nach dem Motto: Ein faules Leben ist kein gottgefälliges Leben!
Ich muss sagen, dass mir das schon ziemlich zusetzte. Ganz offensichtlich kannten sie nicht den alten Indianerspruch: "Lauf erst einmal ein halbes Jahr in den Mokassins eines Anderen, bevor du über ihn urteilst!" Und überhaupt, wenn sie schon über mich urteilten, wie kamen sie zu so einer Fehleinschätzung?
Während dieser Zeit kam ich eines Tages in die Unibibliothek. Ich hatte gerade den Bücherbereich betreten, als ich auf einmal eine junge Frau laut "Irren ist menschlich!" sagen hörte. Ungewöhnlich laut für einen solchen Ort. Und ich hatte sofort das Gefühl, dass dies eine göttliche Botschaft für mich sein könnte.
Ich wollte mich nun auf den Weg zu meinem Lieblingsplatz machen, als mir auf einmal ein seltsamer Gedanke in den Sinn kam: Mach doch erst einmal einen Rundgang durch die Bibliothek! Ich blieb stehen. Warum eigentlich nicht, dachte ich plötzlich und ging los.
Ziellos wanderte ich die Bibliotheksgänge entlang, ohne auf irgendetwas groß achtzugeben. Schließlich stoppte ich vor einem x-beliebigen Bücherregal und griff einfach "blind" ein Buch heraus.
Als ich Sekunden später den Titel des Buches las, staunte ich nicht schlecht: Über den Irrtum! stand dort. Natürlich kamen mir sofort wieder die Worte der jungen Frau in den Sinn, die mich innerlich so stark berührt hatten: Irren ist menschlich. Was für ein Zufall!
Ein Zufall? Mit Sicherheit nicht! Nach einem Blindflug durch die Bibliothek vorbei an -zig tausenden Büchern hielt ich nun dieses Buch über den Irrtum in den Händen. Unglaublich, dachte ich. Erst die Botschaft der jungen Frau und nun dieses Buch. Ganz offensichtlich sollte ich es jetzt lesen.
Als ich es zwei Stunden später wieder schloss, verspürte ich eine tiefe innere Erleichterung und einen starken Trost. Ich verstand auf einmal, dass der Irrtum ein wesentlicher Bestandteil des Lebens ist, von dem sich niemand freisprechen kann.
In diesem Sinne war es dann eigentlich auch nicht weiter verwunderlich, dass ich von einigen Christen so falsch beurteilt worden war. Irren ist menschlich, dachte ich, auch unter Gotteskindern!
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