Mittwoch, 22. April 2015

Ein rundum gelungener Abend (1986)



Es war ein Abend, an dem ich so gar nichts mit mir anzufangen wusste. Schließlich setzte ich mich in meinen Sessel und betete: „Herr, ich weiß nicht so recht, was ich tun soll!“ Im nächsten Moment kam mir klar und deutlich das Wort „Casino“ in den Sinn.
    Schockiert blieb ich eine Weile im Sessel sitzen. Kein Zweifel, ich hatte das Wort klar und deutlich in meinem Innern vernommen, aber es schien mir keinen Sinn zu ergeben. Das „Casino“ war eine stadtbekannte Disco und eine der letzten Orte, wo ich mich aus eigenem Antrieb hinbegeben hätte. Und nahm man da nicht auch Eintritt?
   Ich erhob mich aus meinem Sessel und sagte: „Okay, ich mach`s! Auch wenn ich nicht weiß, was ich da soll!“ Wenig später verließ ich meine Wohnung.

Ich kam kurz nach 21 Uhr am „Casino“ an, legte am Eingang 10 DM auf den Tisch und holte mir dann an der Bar erst einmal das „Inklusiv-Getränk“ ab.      
     Langsam wanderte ich in Richtung lauter werdender Disco-musik und befand mich kurz darauf in einem schummrig erleuchteten Raum mit einer großen Tanzfläche.
    „You make me feel like dancing“ dröhnte aus den Boxen und ich verzog mich erst mal in eine Ecke, von wo aus ich ungestört die Tanzfläche beobachten konnte. Sie war noch verhältnismäßig spärlich gefüllt, was vielleicht der Uhrzeit und dem Mittwochabend geschuldet war. Wer geht schon wochentags in eine Disco?

    Aber so nach und nach begann füllte sich der Raum. Was soll ich bloß hier? fragte ich mich gelangweilt. Gerade wollte ich mich in Richtung Bar begeben, als ich auf einmal angesprochen wurde: „Hallo, Heiner! Du hier? Also das hätte ich wirklich nicht erwartet.“ Ich schaute überrascht in das Gesicht von Sabine, einer jungen Frau aus dem Jesus-Haus.
    „So“, entgegnete ich, „ wieso denn nicht?“ Sie lachte: „Na, das sich so ein Spießer wie du hierher verliert, hätte ich einfach nicht für möglich gehalten.“ Der Satz traf mich schon etwas. Sie hielt mich also für einen Spießer: „Siehst du, Sabine, so kann man sich täuschen. Aber du hast schon Recht, normalerweise würden mich hier keine zehn Pferde hinbekommen. Aber ich habe einen Fingerzeig von oben erhalten.“ 
   Ich erzählte ihr die Sache mit dem Gebet und der vernommenen inneren Stimme. Sie schaute mich erstaunt an und sagte dann: "Ob du es jetzt glaubst oder nicht. Ich war mir nicht sicher, ob es richtig ist als Christin hierher zu kommen. Und deshalb habe ich vorher zu Gott gebetet, dass er dich oder Sven hierhin leiten sollte. Als bestätigendes Zeichen, dass es okay ist mit dem Tanzen." Sie lachte: "Und nun ist tatsächlich einer der beiden Moralaposteln hier. Ich bin wirklich erleichtert, dass Gott auf mein Gebet geantwortet hat."
    Ich war schon etwas baff: "Ja", entgegnete ich, " dass ist wirklich eine erstaunliche Sache. Ohne die vernommene innere Stimme wäre ich im Leben nicht hierher gekommen. Und die 10 DM Eintritt sind auch nicht gerade ein Pappenstiel ... Viel Spass noch beim Tanzen!"

An der Bar traf ich zu meiner Überraschung den Manuel. Seit jener Geschichte mit der gemeinsamen spiritistischen Sitzung hatten (hier clicken) wir uns nicht mehr gesehen.
    „Du hier?“, sagte er lachend. „Also dich hätte ich hier eigentlich nicht erwartet!“ „Ja, da magst du wohl Recht haben! Aber ich bin hierher geschickt worden.“ Er schaute mich leicht skeptisch an: „Geschickt worden?“ „Ach so“, entgegnete ich, „das weißt du ja noch gar nicht. Ich bin jetzt Christ!“
      Und so kam es, dass wir fast eine Stunde lang zusammen an der Bar saßen und uns gegenseitig erzählten, was im zurückliegenden Jahr alles so passiert war. Am Ende kam er noch einmal auf unseren Gesprächsanfang zurück: „Sag mal, wie hast du das eigentlich mit dem geschickt worden genau gemeint?“
    „Ganz einfach,“ entgegnete ich. „Ich saß zu Hause, habe gebetet und dann kam mir das Wort Casino in den Sinn. Und deshalb bin ich hier!“ Er schaute mich nachdenklich an „Schon erstaunlich“, sagte er, „denn ich bin das erste Mal seit Monaten wieder in diesem Laden. Und nun treffe ich ausgerechnet dich hier! Schon seltsam!“

Als ich später das „Kasino“ wieder verließ, hatte ich das Gefühl, einen wirklich guten Abend verbracht zu haben. Das sind wirklich gut investiert 10 DM gewesen, dachte ich. 
   Damals ahnte ich nicht, dass ich sie einige Jahre später zurück erhalten würde. Und zwar über Hubert, einem Freund, von Sabine, der „Tänzerin“ aus dem Jesus-Haus. Sie gab ihm folgende Begründung: "Ohne meine Gebet wäre der Heiner nie dort hingegangen. Deshalb denke ich, dass ich auch für die ihm entstandenen Unkosten aufkommen sollte.
    Eine nette Geste, dachte ich , und steckte den Geldschein ein.