Mittwoch, 27. August 2014

Die geschenkten Handschuhe (1994)


Vor einer Reihe von Jahren nahm ich in Bremen an einem christlichen Studentenfrühstück teil. Bei Speis und Trank ging es recht locker und gesprächig zu, so dass der Vormittag wie im Fluge verging. Schließlich schlug Pastor Helms die Bibel auf und sagte: „So, ihr Lieben! Zeit für eine kleine Andacht!“ Sogleich verstummten die Gespräche, Kaffeetassen wurden  hingestellt, Stühle zurecht gerückt und erwartungsvoll in Richtung des Pastors geblickt. Denn er war allgemein bekannt für recht anschauliche und inspirierende Predigten.      

Das seiner Andacht zugrunde liegende Bibelwort habe ich vergessen, aber nicht die dazu gehörende Anekdote. So war er eines Tages in einer ihm unbekannten Stadt mit dem Auto unterwegs gewesen, als er feststellte, dass er wohl irgendwo falsch abgebogen sein musste. Das Klügste wäre natürlich gewesen, sofort zum Abbiegepunkt zurückzukehren und dann den richtigen Weg zu nehmen.
     Aber wie das so ist. Er war in Zeitdruck und hoffte, dass er sich schon irgendwie ans Ziel gelangen würde. Und so fuhr er seinem Gefühl folgend weiter, bis er schließlich in einer Sackgasse landete: „Hier ging es absolut nicht weiter und es blieb mir nichts anderes übrig, als nun doch reumütig den Rückweg anzutreten.“
     Schließlich erreichte er mit vielem Nachfragen und erheblicher Verspätung doch noch sein Ziel. „Warum habe ich euch das erzählt?“, fragte er in die Runde, um gleich selber die Antwort zu geben. „Diese kleine Episode hat mir ein Stückweit gezeigt, wie es mit meiner Umkehrbereitschaft  bestellt ist. Anstatt meinen Fehler  einzusehen und mich sofort ohne allzu großen Schaden auf den Rückweg zu machen, wollte ich die Sache noch zum Guten wenden. Das Ende vom Lied: Am Ende musste ich doch umkehren, jetzt aber mit größerem Schaden.“

Als ich wenig später des Pastors Haus verließ und mich zu meinem Fahrrad begab, erwartete mich eine unangenehme Überraschung. Die Luft war aus dem Hinterreifen gewichen und Aufpumpaktionen verliefen ergebnislos. "Mist!", fluchte ich leise in mich hinein. Es blieb mir nichts Anderes übrig, als mein Fahrrad zu schieben. Zu allem Überfluss fing es jetzt an diesem sowieso schon grau-trüben Januartag auch noch an zu nieseln. Was meine Stimmung nicht gerade besserte. Eine Dreiviertelstunde würde ich jetzt auf jeden Fall bis zur Uni brauchen.
    Ich mochte etwa zehn Minuten die Straße entlang gelaufen sein, als ich auf einmal zu meiner Überraschung in der Ferne die Silhouette der Bremer Uni auftauchen sah. Allerdings lag dazwischen ein nicht überschaubarer Wiesengrund mit gelegentlichem  Buschwerk.
     Ich begann nachzudenken. Jetzt querfeldein  zu gehen würde auf jeden Fall eine erhebliche Abkürzung bedeuten. Andererseits war das Gelände, eine Art Einöde und Niemandsland, schwer einzuschätzen. Sollte ich nicht vielleicht doch besser  die Straße entlang gehen, auch wenn es eigentlich ein Umweg war? Ach was, dachte ich plötzlich, frisch gewagt ist halb gewonnen!   

Am Anfang ging es auch ganz es leicht. Es  führte ein kleiner Trampelpfad ins Gelände hinein, auf dem sich bequem das Fahrrad schieben ließ. Aber  schon etwa nach hundert Metern hörte auf einmal der kleine Weg auf und plötzlich erwies sich der  Boden unter mir doch als recht feucht und lehmig. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich wieder zurückgehen sollte. Dann entschied ich mich aber für das Weitergehen.
    Nach weiteren hundert Metern war klar, dass ich mich verschätzt hatte. Der Boden wurde immer matschiger und unwegsamer, und meine Stimmung begann noch weiter zu sinken. Erneut kam mir der Gedanke, vielleicht besser umzukehren. Aber mein Stolz war stärker. Jetzt wollte ich es wissen. Trotzig schob ich das Fahrrad weiter.
     Nach etwa zweihundert weiteren Metern war es dann "amtlich". Vor mir war ein mit Wasser gefüllter Graben, der trockenen Fußes nicht zu bewältigen war. Einen Moment überlegte ich tatsächlich, ob ich die nassen  Füße nicht akzeptieren sollte. Dann aber siegte die Vernunft. Ich gestand mir ein, einen Fehler gemacht zu haben und gab auf.
   Im gleichen Augenblick fiel Pastor Helms kleine Andacht wieder ein: Und erst als ich in eine Sackgasse geraten war und es nicht mehr weiterging... Und mit einem Mal begriff ich, dass ich in eine göttliche Lektion geraten war. Dies war sozusagen eine praktische Illustration der kurz zuvor gehörten Anekdote. Ich drehte mich und das Fahrrad herum und machte mich wortlos auf den Rückweg

Eigentlich könnte man diese kleine Anekdote hier enden lassen. Aber es geschah noch etwas, was die  Angelegenheit  mir noch "vergolden" sollte. Denn ich war nur wenige Meter gegangen, als plötzlich mitten in der Einöde zwei nagelneue Skihandschuhe vor mir auf dem Boden lagen.
    Für einen kurzen Moment war ich völlig verdattert: Wie um alles in der Welt sind die denn hierher gekommen?  fragte ich mich. Der Gedanke, dass noch jemand anders sich hierher verirrt haben und dabei Skihandschuhe weggeworfen oder verloren haben könnte, grenzte ans Absurde.
    Ich schaute mich um. In einiger Entfernung war eine Böschung aufgeschüttet, die an der eine Autobahn entlang führte. Aber die Vorstellung, dass jemand seinen Wagen auf der Standspur abstellt hätte und dann die Böschung herunter gestiegen wäre, um mitten in einer matschigen Wiesenlandschaft ein paar nagelneue Skihandschuhe abzulegen, war ebenso grotesk. Es blieb einfach ein Rätsel. Oder ein Wunder!
    Denn hinzu kam auch noch der Fakt, dass ich ausgerechnet an dieser Stelle vorbeigekommen war. Ein paar Meter weiter rechts oder links auf diesem riesigen Gelände, und ich hätte die Handschuhe nicht gesehen. Nun lagen sie da vor mir auf dem Boden wie ein für mich vorbereitetes Geschenk !
  Ein vorbereitetes Geschenk? Ja, denn ich war schon seit Wochen ohne Handschuhe mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und hatte so manches Mal schon gefroren. Und diesem Umstand sollte jetzt wohl abgeholfen werden. Natürlich war es gleichzeitig auch ein kräftiges Trostpflaster nach dieser etwas demütigenden Umkehrlektion. Ich hob die Handschuhe auf und zog beglückt von dannen!

Samstag, 23. August 2014

Mein wundersamer Weg auf eine Bibelschule (1987)

 
 Dieses Foto ist von http://www.bigfoto.com/

Ich war gescheitert! Nach acht Monaten hatte ich auf Anraten meiner Arbeitgeber gekündigt und stand nun quasi vor dem "Nichts". Ohne Anerkennungsjahr galt mein Sozialpädagogikstudium als nicht abgeschlossen. Gewiss, ich hätte nicht kündigen müssen, trotz der schweren Differenzen mit der Jugendclubleitung, und hatte auch jetzt noch die Chance, das Anerkennungsjahr in einer anderen Einrichtung binnen zwei Jahren zu wiederholen. Aber wollte ich das? Oder besser gefragt: War das mein Weg?
     Seit meiner Bekehrung zum christlichen Glauben im Jahre 1985 war ich überzeugt, dass es den richtigen Weg für mich gab. Das ich ihn nur herausfinden musste und darauf vertrauen konnte, dass er mir schon gezeigt werden würde. Dies jedenfalls versprach die Bibel: "Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, auf dem du wandeln sollst!" Und so lautete mein Gebet in jenen Tagen auch: "Herr, zeige mir den Weg, den ich wählen soll!"
    Wie gewohnt suchte ich Mittwoch abends die „Jüngerschaftsschule“ im Jesushaus auf. Man könnte es als eine Fortbildungslehrgang in Sachen Christsein verstehen. An zwölf verschiedenen Abenden wurde jeweils ein Thema durchgenommen. An diesem Tag stand der Lobpreis auf dem Programm,  in Anlehnung an das alte Jakobuswort: "Wer sich Gott naht, dem naht sich Gott!" Nach einer theoretischen Einführung in das Thema folgte am Ende ein praktischer Teil. Das Leiterteam und wir Teilnehmer stellten uns in einem Rundkreis auf und die Lobpreisleitung, ausgestattet mit Akustikgitarren, begann ein christliches Lied anzustimmen.

Im Grunde war der Lobpreis nicht wirklich etwas Neues, geschah es doch quasi in jedem Gottesdienst. Entscheidend ist es dabei in eine Art „Flow“ zu geraten und nicht in einem routinemäßigem Absingen von Liedern stecken zu bleiben. Und an diesem Abend aber war dieser „Flow“ deutlich zu spüren. Wie die meisten Anderen stand ich mit geschlossenen Augen und himmelwärts gestreckten Armen da, als ich plötzlich deutlich die leise geflüsterten Worte: „Breite Straße“ vernahm. Ich war so überrascht, dass ich augenblicklich die Augen öffnete und nach der "Wortquelle" suchte.
     Meine beiden Nebenmänner waren im Lobpreis vertieft. Ganz offensichtlich waren  die Worte nicht von ihnen gekommen. Aber wer war es dann gewesen? Es blieb eigentlich nur eine Interpretation offen: Es war ein übernatürliches Reden geschehen. Aber was sollte  mir damit gesagt werden? Breite Straße, breite Straße, überlegte ich. Mir fiel ein Bibelvers ein: „Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln.“
    Ich nutzte eine kurze Stille zwischen zwei Liedern und sprach den Vers als eine "Weissagung" (Reden Gottes) in die Runde hinein. Es wurde unkommentiert hingenommen und kurz darauf war die Lobpreiszeit auch beendet.  Wenig später verließ ich das Jesushaus und fuhr mit meinem Fahrrad gleich nach Hause.
 
Am nächsten Tag war es nun so, dass ich zu einem Gespräch im Jugendamt verabredet war. Als ich das große Wilhelm-Marx-Haus betrat, warf ich zwecks Raumsuche einen Blick auf die riesige, im Foyer angebrachte Hinweistafel.  Ich hatte die gesuchte Zimmernummer gerade gefunden, als mir plötzlich auffiel, dass auf der Glasscheibe ein Zettel angebracht war. Ich las erstaunt mit ungläubigen Augen: „Wir sind umgezogen in die Breite Strasse!“ Natürlich fiel mir sofort wieder die das übernatürliche Reden vom Vorabend  ein. "Breite Strasse" Die gehörten Worte standen nun plötzlich geschrieben da.
     Nachdem ich mich von der ersten Überraschung erholt hatte, schaute ich, wer denn umgezogen war. Das BaföGamt!  Ein neuerliche Überraschung! Was soll das?, dachte ich. Soll ich etwa auf eine Bibelschule gehen? Ich hatte nämlich einmal gehört, dass es eine gäbe, die bafögmäßig gefördert wurde.   Aber das ist doch Blödsinn! Ich bin doch schon über dreißig und mit Sicherheit nicht mehr BAföG-berechtigt. Andererseits, ein solcher Zufall! Das musste eine Bedeutung haben! Noch ganz in Gedanken machte ich mich auf den Weg zum verabredeten Termin.
 
Vier Tage später schaute ich aus meinem Zimmerfenster. Es goss draußen in Strömen. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen an diesem Vormittag das Bafög-Amt in der Breite Strasse" aufzusuchen. Aber beinahe schien es so als ob sich der Himmel gegen mich verschworen hätte. Wieder kamen mir die Zweifel. War das mit der Bibelschule nicht einfach eine dumme, nicht realisierbare Idee? Ein Luftschloss? Gewiss, da war diese seltsame Geschichte mit dem übernatürlichen Reden und dem Zettel auf der Hinweistafel, was mir einen Fingerzeig in Richtung Bafög-Amt zu geben schien.     Aber dagegen standen die einfachen gesetzlichen Fakten. Wenn eine Bibelschule überhaupt gefördert wurde, so war ich für eine solche Förderung auf jeden Fall zu alt. Mal ganz abgesehen davon, dass ich auch während meines ersten Studiums kein Bafög erhalten hatte. Eine Weile rang ich mit mir. Dann traf ich eine Entscheidung: Gut, ich werde bis 11 Uhr warten. Wenn es dann nicht aufgehört hat zu regnen, vergesse ich die ganze Angelegenheit.
    Gegen 10.50 Uhr schaute ich erneut aus dem Fenster. Nach wie vor goss es in Strömen. Innerlich begann ich mich schon darauf einzustellen, meinen Bibelschultraum abzuhaken. 10.58 Uhr. Nach wie vor goss es in Strömen. OK, dass war es dann wohl, dachte ich leicht enttäuscht. Es war halt eine alberne Idee gewesen. Als ich aber sicherheitshalber Punkt 11 Uhr noch einmal aus dem Fenster schaute, glaubte ich für einen Moment meinen Augen nicht zu trauen. Es hatte komplett aufgehört zu regnen, wie als wenn jemand den Regenhahn zugedreht hätte. Das gibt es nicht! dachte ich. Und wusste doch im gleichen Augenblick, dass dies kein Zufall war. Wenige Minuten später verließ ich meine Wohnung und machte mich auf den Weg in die Breite Strasse.
 
Die Sekretärin im Bafög-Amt schaute mich erstaunt an. „Eine baföggeförderte Bibelschule? Moment, ich schaue am besten einfach mal nach.“ Sie holte einen Aktenordner aus dem Schrank, setzte sich  und begann darin zu blättern. „Ah, hier“, sagte sie und blickte freundlich zu mir hoch. „Es gibt tatsächlich zwei Bibelschulen, die als förderungswürdig gelten. Eine ist in Erzhausen und die andere in Wolfenbüttel.“
    Also doch!, dachte ich. Aber an sich war dies ja auch das geringere Problem gewesen. „Ja“, sagte ich, „aber vielleicht bin ich ja schon etwas zu alt für Bafög. Immerhin bin ich ja schon dreißig!“ Sie schien für einen kurzen Moment nachzudenken. Dann entgegnete sie: „Wissen Sie was? Ich gebe ihnen einfach mal ein Antragsformular mit und Sie bringen es mir dann nächste Woche ausgefüllt zurück. Dann können wir ja weitersehen!“
Als ich wenig später wieder draußen auf dem Gehweg befand, dachte ich: Eigentlich ist es besser gelaufen als gedacht. Die Sache scheint tatsächlich nicht ganz aussichtslos zu sein. Den Rest des Weges ließ ich einer "Tagtraumerei" freien Lauf-
 
Ein paar Tage später reichte ich einen warf ich einen Förderungsantrag für eine theologische Ausbildung an der „Bibelschule Beröa“ in Erzhausen in den Briefkasten des Bafög-Amts. Das Weitere lag nun nicht mehr in meinen Händen. Es begann eine Zeit des Wartens. Nach etwa zwei Woche erhielt ich dann ein Antwortschreiben. Angespannt überflog die Zeilen bis zu : „... lade ich Sie zu einem klärenden Gespräch ein“. Unterschrieben vom Amtsleiter des Bafögamtes. Ich atmete erleichtert durch. Mein Traum war also noch nicht zu Ende.
    In den nächsten Tagen fragte ich mich manchmal, wieso ich keinen ablehnenden Bescheid erhalten hatte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich als Dreißigjähriger noch Bafög erhalten könnte. Andererseits sagte ich mir: Die Sache hat übernatürlich begonnen und Gott macht bestimmt keine „halben Sachen“.
    Dann endlich war es soweit. Mit gespannter Zuversicht machte ich mich auf den Weg zum klärenden Gespräch im Bafög-Amt. Wie würde es wohl ausgehen? Barfuss oder Lackschuh? Als ich wenig später die Amtstube betrat, begrüßte mich ein kleiner, etwa 50jähriger Mann mit Handschlag und wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch: "Nehmen Sie doch bitte Platz!"
     Mein Gegenüber kam schnell zur Sache: „Herr ..., ich will nicht lange drum herumreden. Ich habe Ihren Antrag geprüft und es besteht eine Möglichkeit, dass wir Sie fördern!“ Das hörte sich gut an. Ich entgegnete: „Obwohl ich schon dreißig bin?“ Er lächelte: „Nicht obwohl, sondern weil sie dreißig Jahre alt sind!“ Ich schaute ihn erstaunt an.
      Er erklärte mir, dass es eine Regelung für die Förderung von Studiumsabbrecher gäbe: „Bedingung ist, dass der Antragsteller in seinem ersten Studium nicht bafögmäßig gefördert worden ist und dass er dreißig Jahre alt ist. Und zwar exakt dreißig Jahre alt!“ Er lächelte: „Beide Bedingungen erfüllen Sie. Wären Sie ein halbes Jahr später gekommen, also mit 31, würde diese Ausnahmeregelung nicht mehr für Sie gelten.“
    Ich war sprachlos. Welch ein Glück! Welch eine Fügung! „Allerdings“, fuhr mein Gegenüber fort, „müssten Sie mich noch überzeugen, dass die Gründe für die Nichtbeendigung ihres Studiums schwerwiegend genug sind! Denn nur dann kann ich Ihrem Antrag zustimmen!“ Er schwieg und schaute mich erwartungsvoll an.
     Ich begriff, dass ich jetzt eine einmalige Chance erhalten hatte. Einen kurzen Augenblick sammelte ich meine Gedanken. Dann begann ich zu erzählen von meinen Schwierigkeiten in meinem Anerkennungsjahr, die letztendlich zum Bruch mit der Leitung des Jugendclubs geführt hatte. „Sie sehen“, sagte ich,“ dass am Ende mein Glaube und die Arbeit unvereinbar waren. Es ging einfach nicht mehr!“
    Er hatte seine Hände während meines Erzählens  wie zum Gebet gefaltet unter seinem Kinn gehalten. In dieser Pose verharrte er auch jetzt noch einen Moment. Seine Miene verriet keine Regung. Dann plötzlich senkte er dir Hände, lächelte mich freundlich an und sagte dann: „Sie haben mich überzeugt! Wir werden ihre theologische Ausbildung bafögmäßíg fördern. Die ersten beiden Jahre ohne, das dritte Jahr mit Rückforderung. Aber erst wenn Sie in Lohn und Brot sind!“ Er stand auf, reichte mir die Hand und sagte: „Alles Gute auf Ihrem weiteren Lebensweg."
 
Als ich wieder zuhause war, konnte ich mein Glück nicht fassen. Das schier „Unmögliche“ war wahr geworden. Mir war - trotz meines Alters - tatsächlich für drei Jahre Bibelschule das Bafög gewährt worden. Ein echtes Wunder, besonders wenn man bedenkt, dass alles mit jenem rätselhaftem Wort „Breite Strasse“ während der Lobpreiszeit begonnen hatte.
     In der Folge bedurfte es aber noch eines weiteren Wunders. Der Pastor des Jesushauses hatte „zufällig“ in der Nähe der Bibelschule zu tun und schlug mir vor, dass ich ihn ja begleiten und meinen Antrag persönlich an der Bibelschule abgeben könnte. Eine glückliche Fügung, wie sich noch herausstellen sollte. Als ich nämlich gerade den Antrag im Sekretariat der Bibelschule abgeben wollte, kam „zufällig“ der Bibelschuldirektor zur Tür herein. Nach einem kurzen erstaunten Blick begrüßte er meinen Pastor wie einen alten Bekannten und fragte ihn nach dem Grund seines Besuches. Der verwies auf mich und mein Anliegen und so landete ich wenig später zu einem Gespräch im Büro des Direktors.
     Natürlich erzählte ich ihm die ganze Geschichte der wundersamen Bewilligung meines Bafögs, was den Direktor aber nicht sonderlich zu beeindrucken schien: „Sehen Sie mal hier,“ sagte er, zog eine Schreibtischschublade auf und holte einen Stapel Blätter hervor. Dann legte er sie auf den Tisch: „Das sind über dreißig Bewerbungen für das neu beginnende Schuljahr. Aber ich habe nur noch zwei Plätze zu vergeben.“ Ich erschrak.
       Der Direktor legte die Anträge wieder in die Schublade zurück und lehnte sich in seinem Sessel zurück „Ich bewillige Ihren Antrag nur aus einem einzigen Grund. Nicht wegen ihrer tollen „Wundergeschichte" sondern einzig und alleine, weil Ihr Pastor sich die Mühe gemacht hat  Sie persönlich hierher zu fahren. Ansonsten hätten Sie den Platz nicht bekommen.“ Er lächelte: „Danken Sie Ihrem Pastor ... und Gott, der diesen Umstand wohl so gefügt hat.“
So kam es dann, dass ich etwa acht Wochen später in ein Dreibettzimmer auf der  Bibelschule Beröa ( Erzhausen/ Nähe Darmstadt) einzog. Ein völlig neuer Lebensabschnitt begann, von dem ich dann vielleicht an anderer Stelle erzählen werde.